In seinem 2015 gedrehten und während der US-Präsidentschaftswahl 2016 geschnittenen Ex Libris: New York Public Library versucht der inzwischen 87-jährige Filmemacher nicht nur deshalb mehr als deutlich – dennoch nicht ohne Ambivalenz – eine Utopie des Zusammenseins unterschiedlicher Bildungsschichten und Ethnizitäten zu zelebrieren. Das Public-Library-System ist mehr als eine Bibliothek. Es ist ein möglicher Widerstand pädagogischer und kultureller Notwendigkeit. In einer überraschend berührenden Weise macht diese Grundprämisse das institutionelle Portrait zu einem in seiner Hoffnung bewegenden Film. Dabei geht Wiseman äußerst routiniert vor. Wer seine Filme kennt, weiß, was zu erwarten ist. Die Kamera ist am Prozess interessiert und am beständigen Wechsel dessen, was man als Nutzer und Besucher in den vielen Zweigen der Public Library erfahren kann, und dem, was sich hinter den Kulissen abspielt. Oftmals lauscht man dabei Vorträgen oder internen Gesprächen. Es ist erstaunlich und hat sehr wenig mit „beobachtenden Dokumentationen“ zu tun, die viele zu Unrecht mit Wiseman verbinden, wie die Menschen in seinen Filmen sprechen. Es sind Vorträge geprägt von Vehemenz, Leidenschaft und Wissen. Wie oft im Werk von Wiseman entsteht faszinierende Bewegung, obwohl man letztlich nur sitzende Menschen beim Diskutieren betrachtet. Im Fall von Ex Libris betrifft das nicht nur die Welt der großen Bücher, wobei zum Beispiel mit Gabriel García Márquez und Vladimir Nabokov bedeutende Schriftsteller vorkommen, sondern auch und vor allem pädagogische Veranstaltungen, teaminterne Diskussionen über Digitalisierung oder den Umgang mit Obdachlosen im Gebäude, Tanzabende, Treffen von schwarzen Bürgern (über das Schomburg Center for Research in Black Culture in Harlem), Prominentenabende und so weiter. Wiseman zeichnet in den Stimmen jener, die für ihre jeweiligen Zweige einstehen, ein Diversitäts-Mosaik von enormer Dringlichkeit. Alle Geschäftseinträge AnzeigenGrößere KarteDie Menschen reden nie direkt mit der Kamera, wobei ihre Anwesenheit entscheidend scheint für ihre Sitzordnung und ihr Verhalten. Sie diskutieren untereinander und oftmals wählt Wiseman genau jene Momente in der Montage, in denen die Präsenz des Films hinter den diskutierten Themen verschwindet. Dazwischen gibt es einige etwas lieblose Stimmungsbilder und Aufnahmen von New York, die betonen, dass die Public Library wie ein verbindendes Netz über die ganze Stadt gespannt ist.
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April 2019
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